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Fokus «Mutters Sprache»

2024 hat «Zürich liest» das Fokusthema «Mutters Sprache». Gemeinsam einer Programmkommission hat das Festivalbüro zehn Veranstaltungen kuratiert.

Wie klingt sie? Mutters Sprache. Sie ist laut und witzig. Vielleicht sitzt man im Bus und sie wird geächtet, weil sie eben zu laut klingt und nicht Schweizerdeutsch. Wenn die missbilligenden Blicke einen treffen, beginnt die Mutter ruhiger zu sprechen. Sie wird immer leiser, flüstert, bis wir sie nicht mehr hören.

Mit Sprache ist nicht nur eine Sprachgruppe gemeint, sondern die individuelle, die eigene Sprache. Manchmal ist es nicht wichtig, wie man es sagt, sondern was man sagt. Was sagen die Mütter? Sie sagen: «Ich bin nicht nur Mutter, sondern Frau und vor allem Mensch.» In der Vielfalt dieser menschlichen Erfahrung finden wir Erkenntnisse über das Leben: Liebe, Schmerz, gesellschaftliche Umstände. Denn die Mutter ist keine Nebenrolle. Sie ist Protagonistin. Nur wenn wir sie in der Gesamtheit ihrer Geschichte, ihrer Gedanken und Handlungen darstellen, kann sie zu einem Menschen werden, zu einer Figur, mit der sich Lesende identifizieren können. In der Weltliteratur gibt es da eine Lücke zu füllen und mit dem diesjährigen Fokus möchten wir dazu beitragen.

Die Autor:innen, die wir dieses Jahr nach Zürich eingeladen haben, sind in ihren Werken auf der Suche nach Mutters Sprache. Sie schreiben über Migration, über Mütter, die in Deutschland und der Schweiz arbeiten, aber in diesen Ländern nie ein Zuhause finden, über Mütter, die keine werden wollten oder Mütter, die es bereuen. Sie erzählen darüber, was es bedeutet, aufgrund von Gesetzen von der eigenen Mutter getrennt zu sein. Sie zeigen uns auf, wie es sich anfühlt, in mehreren Sprachen zu Hause zu sein. Alle Autor:innen sind mutig, denn sie schreiben über etwas, über das noch viel zu oft geschwiegen wird.

Als wir von der Busstation nach Hause kamen und die Tür hinter uns zufiel, sprach meine Mutter Tibetisch, gemischt mit ein paar Schweizer Wörtern. Sie sprach wieder laut und deutlich. Sie erzählte lustige Geschichten, die mich zum Lachen brachten. Wenn ich sie dann auf Schweizerdeutsch weitererzählte, waren sie nicht mehr lustig.

Jede Mutters Sprache ist einzigartig. Wie klingt Ihre?

Im Namen der Programmkommission:
Migmar Dolma

 

Programm «Mutters Sprache»

Dienstag, 22.10.

Eröffnung von «Zürich liest» mit Ralph Tharayil


Mittwoch, 23.10.

Lunchlesung mit Ralph Tharayil – «Nimm die Alpen weg»

Annika Eliane Krause: Hallo und auf Wiedersehen. Ein weiblicher Blick auf Anfang und Ende des Lebens


Donnerstag, 24.10.

«Bald wärmer» von Mireille Zindel. Lesung und Gespräch


Freitag, 25.10.

«zu lieben» – Ulrike Draesners Roman über Mutterschaft, Identität und Adoption

«Das erste, das ich dir mitgab» – Wiegenlieder zwischen Generationen und Sprachen

«Unter Umständen» – (Nicht-)Mutterschaft von 1970 bis 2024


Samstag, 26.10.

Geburt erzählen – Literaturwissenschaftliche Perspektiven von Sylvia Sasse und Christine Lötscher

Dinçer Güçyeter schreibt Familiengeschichte in vielen Stimmen

Literaturclub – Wo sind die emanzipatorischen Mutterfiguren?

Erzählte Migrationsgeschichte(n) – Hörspiel und Gespräch zu Saisonniers in der Schweiz


Sonntag, 27.10.

Das erschreckende Ausbleiben von Mutterliebe – «Liebesmühe» von Christina Wessely

Die Macht der Mehrsprachigkeit – Olga Grjasnowa und Melinda Nadj Abonji im Gespräch

Sofalesung: Evan Tepest – «Schreib den Namen deiner Mutter»


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